Stipendien der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst am Edith-Russ-Haus
Die Bewerbung für die Stipendien 2024 wird ab Dezember 2023 möglich sein und hier auf dieser Seite ausgeschrieben werden. Wenn Sie über den Start der Ausschreibung informiert werden möchten, können Sie hier den eMail-Newsletter des Edith-Russ-Hauses abonnieren.
Das Edith-Russ-Haus für Medienkunst freut sich, die drei Projekte bekanntzugeben, die aus den Einreichungen für die Stipendien2023 ausgewählt wurden: Karolina Breguła, Tenzin Phuntsog und Eoghan Ryan.
Ermöglicht durch die Stiftung Niedersachsen hat das Edith-Russ-Haus für Medienkunst für das Jahr 2023 drei sechsmonatige und mit 12.500 Euro dotierte Arbeitsstipendien vergeben. Insgesamt hatten sich 378 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt für die Stipendien beworben. Die Stiftung Niedersachsen fördert das Stipendienprogramm des Edith-Russ-Hauses kontinuierlich seit 2001. Das Programm ist zu einem Aushängeschild des Edith-Russ-Hauses geworden. Viele der in Oldenburg entstandenen Arbeiten wurden nach ihrer Realisierung in internationalen Ausstellungen präsentiert und mit Preisen ausgezeichnet. Mit ihrer Förderung will die Stiftung Niedersachsen eines der führenden Häuser für Medienkunst in Deutschland nachhaltig stärken, seine an Qualität orientierte Profilierung unterstützen, um so die Schaffung von Kunst zu ermöglichen und internationale Vernetzungen und lokale Anknüpfungspunkte zu schaffen.
Die Jury, die nach zwei Tagen intensiver Debatten ihre Entscheidungen traf, bestand aus Zdenka Badovinac, Leiterin des Zagreb Museum of Contemporary Art in Zagreb, Gabriela Salgado, Direktorin von The Showroom in London, sowie Edit Molnár und Marcel Schwierin, die das Edith-Russ-Haus gemeinsam leiten.
Im Rahmen der Ausschreibung gingen 378 Bewerbungen mit Projektvorschlägen ein, die sich mit einem breiten Spektrum dringlicher Fragen beschäftigen, wie etwa transgenerationale Traumata, die Klimakrise, die Aufarbeitung vernachlässigter Geschichten sowie Femizide, die mit extraktiven Praktiken zusammenhängen. Vorherrschend waren Anklänge an Verluste und Vertreibung, aber auch Gefühle mangelnder Zugehörigkeit, ein Interesse an neuen urbanen Lebensweisen und verschiedene Herangehensweisen an artenübergreifenden Beziehungen.
Karolina Breguła ist eine polnische Künstlerin, die in den Medien Film, Fotografie, Installation und performativen Aktionen arbeitet. Das zentrale Thema von Bregułas Projektvorschlag Flood fand sich auch in mehreren anderen Bewerbungen wieder: die Klimakrise und insbesondere die steigenden Meeresspiegel, die weltweit zum Verlust von Wohnraum und Arbeitsplätzen führen wird. Bregułas Auseinandersetzung mit diesem Thema ist spannend und vielversprechend, denn sie untersucht die Erfahrungen verschiedener Communities und die Forschungsarbeiten mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen; zugleich bindet sie die gelebten Erfahrungen und persönlichen Ängste von Menschen in unterschiedlichen Weltregionen ein. Viele ihrer früheren Filmprojekte – die eine opulente Bildsprache und ausgefeilte konzeptuelle Herangehensweisen aufweisen – entstanden in Kooperation mit Protagonistinnen und Protagonisten sowie anderen Beteiligten und verwischen die Grenzen zwischen künstlerischen Aktivitäten von Professionellen und Amateuren. Für dieses neue Projekt plant die Künstlerin, mit Forschenden und den Bewohnenden von Küstenstädten und ‑dörfern in Skandinavien, den Niederlanden, Deutschland, Irland und Taiwan zusammenzuarbeiten. Der Film wird die dringliche Geschichte von Communities erzählen, deren Leben und Lebensgrundlagen durch die gravierenden Klimaveränderungen bedroht wird; er umfasst kurze Sequenzen über frühere, aktuelle und künftige Bedrohungslagen sowie Fotografien und Performances vor Ort. Begleitend erscheint ein Buch, das Breguła und die Beteiligten gemeinsam schreiben werden.
Tenzin Phuntsog ist ein tibetisch-amerikanischer Künstler und Filmemacher, der in den Medien Bewegtbild, Film und Installation arbeitet. Seine Praxis berührt die Themen Präsenz und Zugehörigkeit, Landschaft und Sprache. Phuntsog gehört der ersten Generation von Tibeterinnen und Tibetern im Exil an, die im Ausland geboren wurden und nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Aus dieser Perspektive beschäftigt sich sein Werk immer wieder mit Fragen von Vertreibung, Sehnsucht sowie einer kollektiven Vorstellung von Heimat und ihrem gebrochenen Verhältnis zu eigenen Identität. Die zentrale Idee der Arbeit Oceans in the Sky – „das Imaginieren von großer Weite und Tiefe“, wie der Künstler sagt – wird sich mit den visuellen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten auseinandersetzen, denen Menschen aus Tibet gegenüberstehen, wenn sie mit dem Ozean in Berührung kommen: Früher, in ihrem von Erde umschlossenen Land, war der Ozean etwas, das sie sich nur vorstellen konnten. Phuntsogs Projekt beschäftigt sich mit dem Thema Vertreibung auch, indem er seine Aufmerksamkeit auf die Präsenz wahrgenommener und abwesender Landschaften im Körper richtet. Die Jury fand Phuntsogs Bildsprache, die besondere Einblicke in die Zeiterfahrung bietet, raffiniert und stimmig. Bei dem Versuch, darzustellen, wie seine Charaktere die Gegenwart verkörpern, fangen seine Arbeiten eine ausgedehnte Zeitlichkeit ein.
Eoghan Ryan ist ein irischer Künstler, der in den Medien Bewegtbild, Installation, Performance, Puppenspiel und Zeichnung arbeitet. Seine Arbeiten erforschen kollektive und persönliche Traumata, das Verhältnis von Macht und Anarchie sowie bewusste und unbewusste Verhaltensweisen wie Agieren und Reagieren. Ryans Projekt, Circle A, schlägt vor, verschiedene Aspekte von Anarchie zu betrachten – auf der persönlichen und gesellschaftlichen Ebene und insbesondere im Hinblick auf die Konstruktion künstlerischer Subjektivitäten. Die Jury war vor allem beeindruckt von Ryans künstlerischer Sprache, die grundlegende, dringliche politische und gesellschaftliche Debatten anspricht und dabei in Kauf nimmt, als verstörend wahrgenommen zu werden. Sein Werk geht vom Alltäglichen aus und zielt darauf ab, durch organisiertes Chaos und eine radikale visuelle Poesie destabilisierend zu wirken. Das Projekt wird zwei Arbeiten umfassen, die ineinandergreifen: eine Video-Installation in einer spezifischen Betrachtungsumgebung und eine Diaprojektor-Installation. Circle A wird sich damit beschäftigen, wie Kunst, Theorie und ihre institutionellen Strukturen mit Momenten des Aufruhrs, des Widerstands oder der Revolte koexistieren können. Das Projekt wird persönliche Geschichten und Gruppendiskussionen über das allgemeine Verhältnis von Anarchie und Kunst einbeziehen und zielt darauf ab, den Begriff „Anarchie“ zu differenzieren und seine weiterreichenden Konnotationen zu untersuchen.
Projektbilder

Bisher vergebene Stipendien
2023 | Karolina Breguła | Tenzin Phuntsog | Eoghan Ryan
Jury: Zdenka Badovinac, Edit Molnár, Gabriela Salgado, Marcel Schwierin
2022 | Lucy Beech| Silvia Martes | James Newitt
Jury: Sofía Hernández Chong Cuy, Edit Molnár, Lívia Páldi, Marcel Schwierin
2021 | Rana Hamadeh| Jim Jasper Lumbera | Hira Nabi
Jury: Cosmin Costinas, Edit Molnár, Emily Pethick, Marcel Schwierin
2020 | Ayò Akínwándé | Mochu | Clara Jo
Jury: Natasha Ginwala, Robert Leckie, Edit Molnár, Marcel Schwierin
2019 | Kim Schön | Mario Pfeifer | Viktor Brim
Jury: Nav Haq, Edit Molnár, Marcel Schwierin, Monika Szewczyk
2018 | Petra Bauer | Zach Blas | Daniel Jacoby
Jury: Charles Esche, Edit Molnár, Marcel Schwierin, Joanna Sokołowska
2017 | Noor Afshan Mirza/Brad Butler | Stefan Panhans | Shirin Sabahi
Jury: Bassam El Baroni, Edit Molnár, Stefanie Schulte Strathaus, Marcel Schwierin
2016 | Doireann O'Malley | Zorka Wollny | Amir Yatziv
Jury: Sebastian Cichocki, Galit Eilat, Edit Molnár, Marcel Schwierin
2015 | Mahmoud Khaled | Szabolcs KissPál | Anette Rose
Jury: Inke Arns, Nataša Ilic, Edit Molnár, Marcel Schwierin
2014 | Derek Holzer | Ivar Veermäe | Emma Wolukau-Wanambwa
Jury: Renate Buschmann, Claudia Giannetti, Hermann Nöring, Andrea Sick
2013 | Marcello Mercado | Patrícia Reis | Hannes Waldschütz
Jury: Prof. Dr. Norval Baitello Junior, Roberta Bosco, Dr. Claudia Giannetti, Prof. Hartmut Jahn
2012 | Kerstin Ergenzinger | Antoine Schmitt | Christoph Wachter/Mathias Jud
Jury: Agnieszka Kubicka- Dzieduszycka, Ingmar Lähnemann, Domenico Quaranta, Dr. Axel Roch, Rebecca Shatwell
2011 | Darsha Hewitt | Ute Hörner/Mathias Antlfinger | Yunchul Kim
Jury: Ursula Damm, Kristian Lukic, Lars Midboe, Andrea Sick
2010 | HeHe (Helen Evans / Heiko Hansen) | Ralf Baecker | Anahita Razmi
Jury: Andy Cameron, Susan Collins, Steve Dietz, Sabine Himmelsbach, KH Jeron, Ingmar Lähnemann
2009 | Jana Linke | REINIGUNGSGESELLSCHAFT | The SINE WAVE ORCHESTRA
Jury: Graham Harwood, Sabine Himmelsbach, Stephen Kovats, Amanda McDonald Crowley, Yukiko Shikata
2008 | Petko Dourmana | Kristin Lucas | Cornelia Sollfrank
Jury: Sabine Himmelsbach, Dr. Susanne Jaschko, Warren Sack, Annette Schindler, Dr. Stephan Urbaschek
2007 | Jens Brand | Ellen Fellmann | Eddo Stern
Jury: Sabine Himmelsbach, Tom Holley, Christina Kubisch, Björn Melhus
2006 | Annina Rüst | Corinna Schnitt | ubermorgen.com
Jury: Susanne Binas-Preisendörfer, Michael Connor, Sabine Himmelsbach, Karin Ohlenschläger
2005 | Amie Siegel
Jury: Sabine Himmelsbach, Jan Schuijren, Paula von Sydow, Susanne Weirich
2004 | Minerva Cuevas | Calin Dan | Martine Neddam
Jury: Rosanne Altstatt, Sarah Cook, Iris Dressler, Babara Engelbach, Ursula Frohne
2003 | Dave Allen | Bernadette Corporation | Naomi Ben-Shahar
Jury: Rosanne Altstatt, Katja Davar, Gregor Jansen, Maria Anna Potocka, Silke Wenk
2002 | Johan Grimonprez | Dagmar Keller/Martin Wittwer | Florian Zeyfang
Jury: Rosanne Altstatt, Christoph Blase, Josephine Bosma, Linda Anne Engelhardt, Christoph Keller, Sarah Cook, Jens Thiele, Susanne Weirich
2001 | Susanne Weirich