Total Überzogen
Das Edith-Russ-Haus für Medienkunst wird von außen mit Werbebannern und Fenstertransparenten Total Überzogen, auf denen Entwürfe von Künstlern neben Logos von Geldgebern angebracht wurden. Im Inneren des Ausstellungshauses ist jede Form der Werbung erlaubt, die von den Medien eingesetzt wird: Internetbanner und Websites, Video, Zeitschriften, Poster und Jingles.
Ziel ist es, das Oldenburger Medienkunsthaus zur provokanten visuellen Plattform für Diskussionen zum Thema Repräsentation im öffentlichen Kunstraum zu machen – anhand der Projekte von Künstlern und Aktivisten, von Förderern und Sponsoren sowie von kulturellen Einrichtungen.
Eine einseitige Kritik an derzeitigen Konzepten zur Kulturförderung ist nicht beabsichtigt. Vielmehr soll der starke visuelle Eindruck des 'überzogenen' Ausstellungsgebäudes eine rege Auseinandersetzung anstiften. Inhalte zielorientiert zu transportieren – Maßgabe einer jeden guten Werbestrategie –, hat heute auch für Kultureinrichtungen höchste Priorität.
Die verstärkten Forderungen nach Repräsentation seitens der Förderer und Sponsoren haben in den letzten Jahren zu erregten Diskussionen geführt und einen großen Einfluss auf die Kunst ausgeübt. Das Ergebnis ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits wurde Kunst in bestimmte Image-Kampagnen integriert und zum leicht konsumierbaren Produkt der Massenkultur. Kunst wurde in bestimmte Image-Kampagnen integriert und zum leicht konsumierbaren Produkt der Massenkultur.
Die sogenannte 'creative class', eine ökonomisch erfolgreiche Gruppe von Individualisten der 'business class', bedient sich künstlerischer Strategien zur Umsetzung ihrer Ziele. Andererseits ließen sich viele Künstler in ihrer künstlerischen Praxis durch Werbeästhetik und -strategien inspirieren. Auf diese Weise entstanden sehr innovative Arbeiten: Vom künstlerischen Umgang mit Radio-Jingles in den 60er Jahren bis hin zu heutigen Aktivisten der Anti-Globalisierungsszene, die erfolgreiche Werbekampagnen einfallsreich für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Die Ausstellung wird von Veranstaltungen begleitet, in denen die Besucher ihrer Neugier am Thema und den Arbeiten und ihrer Lust an Diskussionen und Gesprächen nachgehen können (siehe das Symposium).
Den Medien formal entsprechend, erscheint die Ausstellungspublikation im Zeitungsformat.
Für die Zeit von 11 Wochen wird das mit vielfarbigen Bannern auffällig umkleidete Gebäude des Edith-Ruß-Hauses seine Umgebung dominieren und zu Gesprächen und Diskussionen einladen. Um dabei der winter- und weihnachtlichen Stimmung gerecht zu werden, aber auch um der eventuellen Kälte zu trotzen, wird zu den Führungen im Außenbereich Glühwein angeboten.
Beispiele der Arbeiten:
Die Eingangsfassade des Hauses trägt die Überschrift Do You Like My Ideas – eine Arbeit von Dagmar Keller / Martin Wittwer –, die das Leitmotiv zur Ausstellung sein könnte. Das Künstlerduo sucht für das Edith-Ruß-Haus Spenden von Unternehmern. Im Gegenzug erhalten die Firmen das Recht, sich mit einem Buchstaben aus der eigenen Firmentypologie in ihre Installation aus Leuchtbuchstaben zu integrieren. McDonalds beispielsweise wird durch das 'M' in My repräsentiert. Jeder an eine Firma vergebene Buchstabe wird farbig, Buchstaben, für die keine Firma gefunden wurde, bleiben neutral – letztendlich bildet sich der Schriftzug Do You Like My Ideas. Eine Frage, die eine Antwort erfordert.
If You Can't Leave Your Mark Give Up – Jenny Holzer hat ihren Truism für die Außenfassade des Medienkunsthauses in roten Buchstaben setzen lassen und damit eine treffliche Beschreibung für den Impuls zur Ausstellung Total Überzogen gefunden.
Weniger kategorisch sind die Schilder von Julian Opie mit den zeichenhaft vereinfachten Abbildungen seiner 'escaped animals' (Igel, Schaf, Eichhörnchen, Katze).
Wie die mittlerweile unverzichtbaren Piktogramme funktioniert auch ihre simplifizierte elementare Form als universelles Symbol, als eine Art 'corporate logo' für die Lebewesen dieser Welt.
Mit Werbung und Werbestrategien setzen sich auch die Arbeiten in den Innenräumen auseinander.
Daniel Pflumms Traveller (2001) ist charakteristisch für sein subversives Vergnügen an der Montage von Bild- und Toneinheiten aus der Werbewelt. Seine Videoarbeiten waren Anfang der 90er in Berliner Szene Clubs sowie in Ausstellungen sehr erfolgreich, entsprachen sie mit ihrer Ästhetik der puren Form doch ganz dem geistigen Klima nach der Wende.
Bereits 25 Jahre zuvor beschäftigte sich der Künstler Peter Roehr, der 1968 im Alter von 24 Jahren starb, mit den kommerziellen Werbebildern und -jingles seiner Zeit.
Roehr hingegen ging es um die serielle Formation des unveränderten Materials, um das "Verhalten des Materials zur Häufigkeit seiner Wiederholung" (Roehr).
Johan Grimonprez Pear (2002), metergroß und an den Bannern der Außenfassade zu sehen, ist unverkennbar die Antwort auf das Signet der Firma Apple. Der legendäre Apfel der Macintosh Computer gilt einer intellektuellen und kreativen Gruppe von Usern bis heute als Symbol der Rebellion gegen das kommerziell dominante Microsoft – und noch immer sind die Macintosh Werbekampagnen vom Geist dieser Legende geprägt.
In ähnlich provokanter Weise wie Grimonprez, aber mit direkterem politischen Bezug, verfährt auch Adbusters. Die Auseinandersetzung mit Markenprodukten und den dazugehörigen Vermarktungskonzepten von Konzernen bestimmt die Arbeit dieser Gruppe von Künstlern und Aktivisten. Ihr Engagement gilt globalen Fragen, ihre Kritik der Expansion ökonomischer Macht. Ihr Medium ist ihre website www.adbusters.org und das Adbusters Magazine, in dem sie Aktionen wie den 'Buy Nothing Day' am 30. November 2002 unterstützen, organisieren und bewerben. Naomi Klein beschreibt die Okkupation solcher Strategien in ihrem Buch No Logo nicht ohne Kritik, doch für Adbusters gilt, gängige Werbestrategien garantieren auch politischem Engagement Erfolg.
Finanziert wird diese Ausstellung durch Eigenmittel (Stadt Oldenburg), die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie das Land Niedersachsen.
Wir danken der Firma Kleinhempel und der Stiftung Niedersachsen.