Live and Die as Eva Braun and Other Intimate Stories
Das Edith-Russ-Haus präsentiert die erste Soloausstellung des renommierten israelischen Videokünstlers, Malers und Autors Roee Rosen in Deutschland. Zentrale Themen seines Werks sind Identitätsfragen, der Tod und das „Böse“ – Inhalte, die er durch den menschlichen Körper und die menschliche Stimme reflektiert.
Es ist sicher kein Zufall, dass Rosens erste Soloausstellung in Deutschland nicht vor 2016 stattfinden konnte. Sein Werk ist schwer zu begreifen und noch schwerer zu verarbeiten. Es ist verwirrend, verstörend und verfolgt seine Betrachtenden, als hätte ein Dämon sich in ihrem Genick verbissen oder sie geblendet. Einige dieser Dämonen kommen noch dazu direkt aus der jüngeren deutschen Geschichte.
Rosen verwischt systematisch die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, historischen Fakten und falschen Geschichten. Die provozierende Herangehensweise seiner Erzählungen über Gewalt und Leid stehen in einem scharfen Kontrast zu seinem pechschwarzen, aber niemals zynischen Humor. Damit trotzt er nicht nur dem herrschenden Konsens, wie man mit Unglück umgehen sollte. Er verlässt auch die ausgetretenen Pfade der politischen Korrektheit und verweigert dem Publikum überdies die Möglichkeit, mit dem Leid umzugehen und einen versöhnenden Moment der Katharsis zu erleben.
Mit seiner Strategie, die eigene Identität hinter verschiedenen angeeigneten Masken zu verbergen, bringt Rosen ansonsten versteckte und widersprüchliche historische und gesellschaftliche Narrative über Macht, Ohnmacht und Unterdrückung zum Vorschein. So greift er beispielsweise bewusst antisemitische Propaganda auf und steigert sie ins Groteske. Sein zentrales Thema ist die Zerstörung des menschlichen Körpers in allen möglichen historischen und geopolitischen Variationen, vom Mittelalter bis in die Gegenwart:
„Der Körper sagt einem immer zuerst, wenn etwas falsch ist“, schreibt Rosen, „die somatische Transgression macht sich üblicherweise als Erstes bemerkbar und vermittelt einem, dass eine Grenze überschritten wurde. Es kommt nicht oft vor, aber manchmal löst eine Idee in mir ein verschwitztes, unbehagliches Gefühl aus, und dann weiß ich, dass sie meine Aufmerksamkeit verdient.“
Rosen bricht radikal und absichtlich mit den normativen Vorstellungen, nach denen die Gesellschaft diese Themen behandelt, um uns ihre Aktualität schmerzhaft bewusst zu machen. Mit aller Kraft kämpft er gegen das Vergessen, das den Versöhnungsritualen einer angeordneten Trauer innewohnt.
Die Ausstellung umfasst Videoinstallationen, Zeichnungen, Bücher, Plakate und T-Shirts von Roee Rosen, eine neue Installation seiner umstrittenen Arbeit Live and Die as Eva Braun, die erste öffentliche Vorstellung seines einflussreichen Buchprojekts The Blind Merchant (1989–1991) in Europa anlässlich der Veröffentlichung bei Sternberg Press, sowie eine Installation, die speziell für das Edith-Russ-Haus konzipiert wurde: Justine Frank Morphing Self Portraits wird jeden Abend in den öffentlichen Raum projiziert.
Das Edith-Russ-Haus zeigt in Zusammenarbeit mit dertransmediale 2016im Rahmen der Veranstaltungsreihe Conversation Piece ein Filmprogrammmit Roee Rosen. Unter anderen werden seine Videoarbeiten Two Women and a Man (2005) und The Confessions of Roee Rosen (2008) erstmals in Berlin gezeigt.
Kuratiert von Edit Molnár und Marcel Schwierin.
Das Infoheft zur Ausstellung mit Kurzbeschreibungen aller ausgestellten Werke kann als PDF kostenlos heruntergeladen werden. Die Nutzung ist ausschließlich für private Zwecke, andere Nutzungen müssen mit dem Edith-Russ-Haus abgestimmt werden. Download hier.