Magische Maschinen
Die Sehnsucht nach dem Besonderen, die der Entwicklung einer fantasievollen Maschine immanent ist, schwingt in den 'Magischen Maschinen' dieser Ausstellung mit und überträgt sich als sinnliche Erfahrung auf den Betrachter. Gerade in einer Zeit, in der sich der Begriff der 'Virtualität' konstant und beharrlich im Kunstdiskurs hält, bringt das Edith-Russ-Haus für Medienkunst Skulpturen und Apparate mit einer starken physischen Präsenz zusammen. Hier geht es um die Möglichkeiten der künstlerischen Erfindung – von der Dynamisierung des Objektes bis hin zur Entwicklung utopischer Ideen für eine bessere Welt mittels mechanisierter Kunstwerke. Die 'Magischen Maschinen' sind ein Testament der Hoffnung auf die unerschöpfliche Quelle des erfinderischen Geistes.
Es war kein Zufall, dass Marcel Duchamp seine Rotoreliefs (1935/65) ausgerechnet auf einer Technikmesse erstmalig der Öffentlichkeit präsentierte. Mit dieser Aktion verließ er den Kontext der Kunst Produktion, initiierte die Massenproduktion und -vermarktung seines Werkes und nahm den ihm gebührenden historischen Platz in der Welt der Erfindungen ein. Die farbigen Muster der Duchamp-Scheiben scheinen sich in der Rotation spontan aufzulösen und mühelos die räumlichen Dimensionen zu wechseln - aus wenigen geometrischen Strichen wird beispielsweise ein Martiniglas. Da erst die Bewegung diesen Wechsel animiert, wird es möglich sein, die Rotoreliefs auf den dazugehörigen 'turntable' von Duchamp zu legen und eine Musik für die Augen statt die Ohren zu erleben.
Auch durch die Nutzung von Video veränderten die Künstler den Kunstmarkt und provozierten eine Diskussion über tradierte und neue Gattungen in der Kunstwelt. Die elektrisch/optisch/mechanische Installation Allvision (1976) von Steina Vasulka gehört zu den frühesten künstlerischen Experimenten, in denen durch das Medium Video neue Sehweisen erprobt wurden. Von allen Winkeln aus überwachen sich drehende Kameras den Raum über eine Kugelsphäre. Sowohl die Besucher als auch der Raum sind spielerisch verzerrt. Zeit und Bewegung werden zu einem Universum mit endlosen Zyklen und Umkreisungen. Diese 'Machine Vision' (Vasulka) erweitert die Möglichkeiten künstlerischer Welten.
Es sind die vielleicht letzten Utopisten, die die Welt durch den Fokus ihrer eigenen kleinen oder großen Erfindung sehen und in den Auslegehallen des Patentamtes angstvoll nach früheren Patenten suchen, die ihrem Patentanspruch möglicherweise entgegenstehen. Die Visionen der 'Künstler', der Privaterfinder im Patentamt, sind gleichzeitig immer auch private Utopien. Christoph Keller entwickelte den Helioflex (1997) im Kontext urbaner Architektur mit dem Ziel, dicht bebaute Räume zu erhellen. Der Helioflex-Spiegel, den sich Keller patentieren ließ, lenkt direktes Sonnenlicht vollautomatisch und netzunabhängig in dunkle Wohnungen und schattige Hinterhöfe. Er ist weitgehend aus bewährten Bauteilen, beispielsweise von Satellitenanlagen, zusammengesetzt und wird durch ein einfaches, robustes Tracking-System dem Lauf der Sonne nachgeführt. Für Magische Maschinen werden die Unterlagen und Entwürfe den Prozess des Patentierens des Helioflex erleuchten.
Für die Entwicklung der Maschinen ist es oftmals unabdingbar, dass Künstler mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten, um ihre Konzepte zu realisieren. Gemeinsam mit dem CERN Laboratorium in Genf und dem London Institute entwickelte Paola Pivi aus den Gesetzen der Physik und Elementen des Design die Skulptur C (2001). Ihre Struktur besteht aus zahlreichen, an feinen Drähten aufgefädelten Nadeln, die zwischen Stahl und Alluminium zu schweben scheinen. Einem Schwarm von Fischen ähnlich, in dem jeder einzelne ganz plötzlich und gemeinsam mit allen anderen die Richtung wechselt, richten sich die Nadeln auf und positionieren sich in Abwehrhaltung, wann immer sich einer ihr nähert. Durch ihre anziehende und abstoßende Wirkung weckt diese Skulptur die Tastsinne, ohne dass tatsächlich getastet wird.
Wie schon die Rotoreliefs von Duchamp und Allvision von Vasulka verführt und täuscht auch die Arbeit von Gregory Barsamian wieder die optischen Sinne. Mother May I (1993), eine archaisch anmutende Kugel, in deren drehender Bewegung sich die Schöpfung und Zerstörung der Welt in unaufhörlicher Wiederkehr abbildet, flackert mit einer Dynamik, die direkt das Unterbewusstsein attackiert. Animiert durch stroboskopische Effekte, fusionieren Barsamians detaillierte Skulpturen mit dem schönen Chaos, einer mythischen Traumwelt und den Realitäten der Zeit.
Herwig Weisers zgomobil (2001/2002) birgt die Hoffnung oder die Möglichkeit, dass aus Computermüll Wüsten- und Soundlandschaften entstehen können. Das mobile System besteht aus granulierter Computerhardware und wurde zusammen mit dem Programmierer Albert Bleckman und dem Musiker F.X. Randomiz entwickelt. Der Benutzer kann die Soundoberfläche von zgomobil über elektromagnetische Codes ansteuern, um einen endlosen Fluss von sich ändernden Formen und Klängen zu produzieren.