Tausend Augen
Zwei-Kanal-Videoinstallation am Staatstheater Oldenburg in Kooperation mit dem Edith-Russ-Haus
Tausend Augen, Christoph Girardets Videoinstallation für das Staatstheater Oldenburg, besteht tatsächlich aus tausend Augen. Detailaufnahmen von Augenpaaren aus Spielfilmen der vergangenen hundert Jahre, in denen das Motiv zum kinematografischen Topos avancierte, scheinen auf zwei gegenüberliegenden Projektionsflächen auf. Doch die Blicke treffen sich nicht. Während im Wechsel jeweils eine Seite ein Augenpaar zeigt, bleibt die andere leer. Nach dem Zufallsprinzip generiert, ergibt sich kontinuierlich eine neue Choreographie.
Die Erwartung einer klassischen Dramaturgie wird bewusst unterlaufen. Unvermittelt tauchen die Augen von Frauen, Männern und Kindern aus dem Dunkel auf und verschwinden wieder, bleiben wie Geister in ihrer eigenen Sphäre. Die Fülle der emblematischen Bilder verdichtet sich zu einer Genealogie des Kinos. Ein Kaleidoskop von malerischer Qualität.
Dabei läuft der vermeintlichen Austauschbarkeit des Augenmotivs die Intensität der Blicke entgegen, in denen sich tief empfundene Emotionen spiegeln. Auch in der Wiederholung erschöpft sich ihre Eindringlichkeit nicht. Die Augen beanspruchen Öffentlichkeit. Sie sind Gegenstand der Betrachtung und scheinen den Zuschauer zugleich selbst zu betrachten. Begehren, Kontrolle, Überwachungsfunktion bestimmen die Blickbeziehung in der medialen Gesellschaft. Nicht zuletzt aber erinnert die visuelle Metaphorik an die Gabe des Sehens als Garant individueller Erkenntnis.
Kristina Tieke
Christoph Girardet (*1966) verwendet vorwiegend Fremdmaterial ("found footage") aus den sich ständig erweiternden Archiven der Filmgeschichte, das er nach unterschiedlichen konzeptionellen Vorgaben in eigene Kompositionen überführt. Es entstehen so individuelle und unmittelbare Arbeiten, in denen das Ausgangsmaterial über die analytische Betrachtung hinaus neue Bedeutungsebenen entfaltet. Seine Werke wurden in Ausstellungen und auf Filmfestivals weltweit gezeigt, so zum Beispiel Oberhausen, Berlinale, Semaine de la Critique Cannes, Kunstverein und Sprengel Museum Hannover, Deichtorhallen, Hirshhorn Museum, ZKM, Palais de Tokyo, MoMA PS1, etc . Er lebt und arbeitet in Hannover.
Die Projektionen sind täglich ab Sonnenuntergang bis 0.30 Uhr am Treppenturm des Staatstheaters sichtbar.
Die Steuersoftware für die Installation wurde von Thomas Neveling (art2pano, Hannover) programmiert.
Kuratiert von Edit Molnár & Marcel Schwierin.