Ausstellung

ULTRA ENDURA

Katharina Sieverding ; 
Klaus Mettig
23.01.2005 - 28.03.2005

Die Fotografen Katharina Sieverding und Klaus Mettig haben für das Edith-Russ-Haus für Medienkunst und den Oldenburger Kunstverein eine Gemeinschaftsausstellung konzipiert, in der sie ausgewählte Werke des jeweiligen Oeuvres miteinander in Beziehung setzen und so gleichsam inhaltliche und ästhetische Bezüge ihrer Arbeiten sichtbar werden lassen.

Katharina Sieverdings und Klaus Mettigs Arbeiten liegt das gleiche Interesse für eine reflektierte Beobachtung aktueller gesellschaftsrelevanter Themen zugrunde: Identität, Individualität, Gesellschaft und Technologisierung von Mensch und Natur werden in den Medien Fotografie, Film und Video bearbeitet. Beide Künstler verwenden auch bereits medial vermitteltes Material aus unterschiedlichen Kontexten, wie technisch-wissenschaftliche oder medizinische Darstellungen, Pressebilder und Dokumente, wie Flüchtlings- und Kriegsbilder. Gleichzeitig unterscheidet sich ihre jeweilige ästhetische Formensprache in zahlreichen Facetten und Nuancen deutlich voneinander.

Für die Venedig Biennale von 1997 entwickelt Katharina Sieverding die Steigbilder I-IX, eine Serie von sehr großformatigen, oft mehrteiligen Bildern auf der Grundlage von dokumentarischen, journalistischen oder auch wissenschaftlichen Fotos. In digitalen und analogen Entwicklungsprozessen entsteht daraus eine komplexe Bildstruktur, die sich durch Anschauung allein nicht entschlüsseln lässt. Zwei dieser Steigbilder präsentiert Katharina Sieverding im Edith-Russ-Haus für Medienkunst, das mit seinem hohen Ausstellungsraum im Obergeschoss dafür prädestiniert ist.

Steigbild VI (500 x 300 cm) besteht aus vier vertikalen Bildtafeln mit einer kreisförmigen Formation, die einer Zentrifuge gleich eine enorme Sogkraft erzeugt. Gleichzeitig entsteht der Eindruck einer überdimensionierten Iris eines den Raum dominierenden Auges. Grundlage dieser Verfremdung ist ein Pressefoto aus Nablus von einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und Israelischer Armee. Wie in der Verzerrung einer Anamorphose ist in der unteren Bildtafel noch ein Soldat mit Helm von hinten zu erkennen. Auch Steigbild VII (300 x 375 cm) lässt keinen einfachen Zugriff auf seinen Bildinhalt zu. Die einer Frottage ähnliche Bildstruktur in Braun und Schwarz gibt bei genauerer Betrachtung am obern Bildrand drei Gesichter frei. Auch diese Arbeit reagiert auf ein reales Ereignis und seine mediale Vermittlung: Es sind die Gesichter dreier italienischer Soldaten beim Liegestütz am Strand von Brindisi vor ihrem Friedenseinsatz in Albanien.

Konfrontiert werden diese Großformate mit den Arbeiten von Klaus Mettig, die während seiner wiederholten Aufenthalte in der Volksrepublik China entstanden sind. Drei Einzelbilder aus Shanghai von 1992 und zwei von 2003, die in der für ihn typischen Weise zu Bildkomplexen zusammenfügt werden. Auf diese Weise befindet sich das einzelne Bild im Vergleich zu den anderen und ganz automatisch entsteht für den Betrachter eine kommunikative Struktur unter ihnen. Wie hat sich Shanghai in den letzten 10 Jahren verändert? Welche Chance hat das Individuum heute in einer vom Konsum bestimmten Gesellschaft im Gegensatz zur Konformität der politischen Massenbewegung von früher? Und was bedeutet diese Entwicklung für die kulturelle Identität?

Im Mini-Cinema des Edith-Russ-Hauses für Medienkunst ist der nur selten gezeigte und von beiden Künstlern 1978 gemeinsam produzierte Film China, September - Oktober 1978, Beijing, Yanan, Xian, Luoyang zu sehen. Während eines offiziellen 3-wöchigen Reiseprogramms konnten Katharina Sieverding und Klaus Mettig mehrere Städte in China bereisen. Dabei entstand ein 16-mm Film über das Land in der Zeit kurz nach dem Ende der Kulturrevolution, das einen flüchtigen Eindruck vom alltäglichen Leben dort vermittelt.

Im Vergleich zu den Shanghai Bildern von 1992 – 2003 präsentiert Klaus Mettig im Oldenburger Kunstverein erstmalig einen Bildkomplex von acht Fotografien aus 2004, in dem er einen übergeordneten Blickpunkt aufgibt. Die neuesten Stücke von Mettig spielen auf den Straßen von New York. Sie stehen in der Tradition der klassischen "Straßenfotografie": Er kennt die Personen, die er aufnimmt nicht und die Aufgenommenen bemerken ihn nicht. Neben dem vermeintlich dokumentarischen Blick ist es hier der fragile "entscheidende Moment", der ihn zu interessieren scheint. Er beobachtet vielmehr – Tragödien, Isolierung, Nähe...
Seine Bilder sind streng und spröde und gleichzeitig voller Poesie. Sie berühren uns, weil sie in beeindruckender Weise etwas über die Beziehung zwischen den Menschen, über Nähe und Distanz aussagen.

Diesen aktuellen Arbeiten von Klaus Mettig stellt Katharina Sieverding eine Installation von Fotoskulpturen aus der Serie GZ 1-6 von 2002 gegenüber, die sich jeweils aus zwei Bild- und zwei Spiegelelementen zusammensetzen. Es entsteht ein Parcours, der nicht nur die großformatigen abstrakten Bilder reflektiert, sondern den gesamten Raum strukturiert und den Betrachter als Darsteller einbezieht. 
Die Künstlerin verwendet dabei u.a. aus dem medizinischen Kontext stammendes Bildmaterial wie Blutgerinnungsbilder oder Sequenzausschnitte der Genforschung, aber auch mit dem Computer bearbeitete Fotografien und immer wieder Selbstportraitaufnahmen. Für die Fotoskulpturen von GZ wählt sie Ausschnitte aus bereits bestehenden Arbeiten aus. Diese subjektive und auf den jeweiligen Ausstellungskontext bezogene Auswahl sowie die dreidimensionale Installation, bieten dem Betrachter wechselnde Zusammenhänge und aktuelle Bedeutungen an. Ein stetes In- und Gegeneinander von subjektivem Portrait und Bildern gesellschaftlicher Realität vollzieht sich wie eine Metamorphose, die sie in einer Vielzahl von Arbeiten sowohl technisch als auch inhaltlich thematisiert.

Eröffnung: 22.01.2005 19:00

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