Ausstellung

FACT FICTION

Elmar Hess ; 
Stanislaw Mucha ; 
Jeroen Offerman ; 
Sandra Schäfer ; 
Kerry Tribe
21.07.2000 - 20.08.2000
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Elmar Hess: Kriegsjahre. Foto © Edith-Russ-Haus
    Elmar Hess: Kriegsjahre. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Kerry Tribe: The Audition Tapes. Foto © Edith-Russ-Haus
    Kerry Tribe: The Audition Tapes. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Stanislaw Mucha: Ein Wunder. Foto © Edith-Russ-Haus
    Stanislaw Mucha: Ein Wunder. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Sandra Schäfer: England - Deutschland. Foto © Edith-Russ-Haus
    Sandra Schäfer: England - Deutschland. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Jeroen Offerman: The Great Escape. Foto © Edith-Russ-Haus
    Jeroen Offerman: The Great Escape. Foto © Edith-Russ-Haus
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Dokumentarische Formen und Strategien haben in der Videokunst und der Filmproduktion der letzten Jahre einen enormen Stellenwert erhalten. Dies geht einher mit dem Wiederaufleben des Narrativen in der Kunst und den hohen Speicherkapazitäten, die die neuen Medien kennzeichnen.
Welche Bedeutung und Funktionen hat die Aufzeichnung des Realen, das Substrat eines Dokumentes überhaupt noch, wenn gleich alles erzählt, manipuliert oder dokumentiert wird? Life-übertragung, Webcam, Echtzeit-Soap (wie zunächst Big Brother), Backup manifestieren neue Strukturen und Sichtweisen unserer visuellen Kultur. Hat das "Dokumentarische" lediglich als stilistisches Mittel überlebt? Ist es überhaupt noch entscheidend zu wissen, ob etwas Fakt ist oder Fiktion?

Zur Ausstellung wurden die Künstler Elmar Hess (GER), Stanislaw Mucha (POL/GER), Jeroen Offerman (NL/GB), Sandra Schäfer (GER) und Kerry Tribe (USA/LA) eingeladen, die in ihrer Arbeit die Strategie des Dokumentarischen bewusst inszenieren. Dabei werden die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion immer unsichtbarer.

Kerry Tribe: The Audition Tapes, 1998 Video, 21min (engl.)
Interviewähnlich zeichnet Kerry Tribe Hörproben für einen experimentellen Dokumentarfilm auf, der von Familiengeschichten und Familienerinnerungen handelt. Bald zeigt sich, dass die Personen Schauspieler sind, die authentisch wirkende Berichte und Erinnerungen referieren und "aufführen". Dabei wechseln sie mehrfach ihre Rollen. Im Verlauf beginnen sich die Geschichten zu widersprechen, unterschiedliche Darstellungen werden angeboten, die Darsteller projizieren eigene Wünsche und Sichtweisen auf die Figuren. Die Arbeit berührt einen Graubereich zwischen Autobiographie und Geständnis, Geschichte und Erinnerung, Dokumentation und Spielfilm. Kerry Tribe, geboren 1973 in Boston, lebt und arbeitet in Los Angeles, studiert an der University of California, Los Angeles und war 1998 Teilnehmerin des Whitney Museum of American Art Independent Study Programms. Ausstellungsbeteiligungen seit 1995.

Sandra Schäfer: England - Deutschland, 1997 1-Kanal-Videoinstallation, Stereo, 2h51min
Simultan und nebeneinander auf einem Bildschirm sieht man die englische und deutsche Übertragung des Fussballspiels England - Deutschland von der Europameisterschaft 1996. Das Spiel endete unentschieden und führte nach der Verlängerung zu einem Elfmeterschiessen. Die Verdoppelung der Bilder und die Zeitverzögerung von knapp einer Sekunde verfremden die gewohnte Sichtweise und legen eine enorme Distanz und Ideologie zweier nationaler Sichtweisen über einen gleichen Sachverhalt offen. Sandra Schäfer, geboren 1970 in Altenkirchen, studierte Kunst und Kunsterziehung an der Gesamthochschule Kassel, verbrachte Gastsemester in London, absolviert seit Oktober 1999 ein Aufbaustudium an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Im Zentrum der künstlerischen Arbeit steht die Videokunst und die Thematisierung dokumentarischer Ansätze.

Elmar Hess: Kriegsjahre, 1996, Videoinstallation, Video (Betacam), 35min
In Kriegsjahre bricht Elmar Hess ein Tabu. Dokumentarische Archivbilder und die ästhetische Filmsprache der nationalsozialistischen Zeit werden unverblendet einbezogen in die Konstruktion einer individuellen Kriegsgeschichte, in der sich die Symbole und Zeichen des Krieges mit Metaphern und Szenerien des Geschlechterkampfes vermengen. Die erfinderischen Montagen erinnern an die alte Illusionsmaschinerie der frühen Filmzeit. Salatschüsseln verwandeln sich in Ruhmeshallen, Toastbrotstapel zu Monumentalbauten, Eierbecher in Ölraffinerien, Tischgedecke in urbane Arrangements. Nicht die Erinnerung an tatsächliche Ereignisse, die Erinnerung an Fernsehbilder und Fotografien forciert die suggestive Kraft des Dokumentarischen. Elmar Hess, geboren 1966, studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, seit 1991 Beteiligung an Ausstellungen. Sein Film Kriegsjahre wurde zuletzt auf der German Open in Wolfsburg gezeigt.

Jeroen Offermann: The Great Escape, 1999, 10min, Farbe, 1-Kanal-Videoinstallation
An einer britischen Küste filmt die Kamera die Landung eines Hovercrafts. Das Boot kommt heran, der Lärm wird tosend, die Luke öffnet sich. Die Kamera selbst ist bewegungslos. Ihre festgelegte Einstellung verändert weder Bildausschnitt noch Winkel. Ein Mann rennt auf das Boot zu und verschwindet im Inneren. Das Boot fährt ab. "The Great Espace" ist eine Hommage an das Science-Fiction-Genre und die romantische Landschaftsmalerei von Caspar David Friedrich. Jeroen Offermann, geboren 1970 in Eindhoven (NL), lebt seit 1997 in London. Er studierte an der Akademie of Fine Arts in Breda und am Goldsmith College der University of London. Seit 1994 ist er an verschiedenen Gruppenausstellungen beteiligt.

Stanislaw Mucha: Ein Wunder, 1999, 7min, Farbe, Super 16, Beta SP
Lassen sich Wunder filmen? Der Ort der Wunder ist auf keiner Karte verzeichnet. Seit einer Woche stehen die Bewohner des kleinsten Dorfes in Ostpolen und viele Pilger aus der Umgebung vor einem Haus. Sie richten ihren Blick auf eine Fensterscheibe. Die einen erkennen dort die Heilige Madonna, die anderen nur einen Ölfleck... Die Sehnsucht der Menschen nach Mirakel kristallisiert sich. Sie glauben an das, was sie sehen. Und sie sehen das, an was sie glauben. Mucha, geboren 1970 in Polen, Studium an der Hochschule für Theater in Krakau, später Film- und Fernsehregie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Der Film Ein Wunder entstand 1999 und wurde u.a. auf dem Internationalen Filmfestival in Stuttgart ausgezeichnet. Sein jüngster Dokumentarfilm Mit Bubi' heim ins Reich wurde auf der 50. Berlinale uraufgeführt.

Zugehörige Publikationen

    Stanislaw Mucha: Ein Wunder

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Peter Waskönig