Ausstellung

Borrowed Scenery

Shirin Sabahi
05.07.2018 - 30.09.2018
  • Das Foto zeigt die Fassade des Edith-Russ-Hauses mit dem Banner zur Ausstellung Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Pocket Folklore. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Mouthful. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Mouthful. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Obergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Mouthful. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Mouthful. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Muted Fanfare For The Shy (Prop). Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Muted Fanfare For The Shy (Prop). Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Muted Fanfare For The Shy (Prop). Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Muted Fanfare For The Shy (Prop). Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit der Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Muted Fanfare For The Shy (Prop). Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Muted Fanfare For The Shy (Prop). Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit der Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit der Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit der Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit der Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit der Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
    Ausstellungsansicht Shirin Sabahi: Borrowed Scenery. Foto © Edith-Russ-Haus
  • Das Foto zeigt das Untergeschoss des Edith-Russ-Hauses mit dem Kunstwerk von Shirin Sabahi: We Came Here To Swim. Foto © Edith-Russ-Haus
    Shirin Sabahi: We Came Here To Swim. Foto © Edith-Russ-Haus
/ 24

Die Kunstwerke in Shirin Sabahis Einzelausstellung Borrowed Scenery beruhen auf einer umfassenden Untersuchung des Grundsatzes der Minimal Art, den subjektiven Ausdruck zu begrenzen, und beschäftigen sich mit den inneren Widersprüchen dieser Haltung. Sabahi setzt sich mit Problemen auseinander, die entstehen, wenn die „künstlerische Handschrift“ keine Rolle spielen soll, und zeigt, dass Kunstwerke – ob bewusst oder unbewusst – eine Dialektik in Gang setzen. Zugleich geht sie einschneidenden historischen Ereignissen nach, die in die von ihr präsentierten Kunstwerke und Geschichten einfließen.

Der Film Muted Fanfare for the Shy (2013) und die Installation Muted Fanfare for the Shy (Prop) (2013) bieten einen Ausgangspunkt, um Sabahis Methode zu verstehen. In ihrem Film wie auch in ihrer Installation sieht man ein Gewächshaus mit automatisierten Jalousien, die anscheinend ohne den Einsatz menschlicher Arbeit funktionieren. Im Mittelpunkt stehen die beweglichen Jalousien und die Pflanzen; ihre Funktionsweise und geisterhafte Präsenz stellen die einzige Handlung dar, während eine menschliche Gestalt im Hintergrund verharrt. Was bleibt, wirkt anziehend und zugleich etwas beunruhigend. Wenn man die ausdruckslose mechanische Sprache der Maschine betrachtet, bekommt diese mit der Zeit eine gewisse Handlungsmacht; sie beginnt, ihre eigene Sprache zu entwickeln, eine Sprache, die immer etwas unverständlich bleibt.

Die stumme Präsenz dieser Arbeiten führt die bewusste Aussetzung der Ungläubigkeit vor, die vom Publikum verlangt wird, um die Idee eines wahrhaft autonomen Kunstobjekts „abzukaufen“. Auch scheinen solche Objekte sich selbst zu fragen: Warum sind wir hier? Sich seiner selbst bewusst zu werden, gilt als ein Zeichen einer reifen Persönlichkeit und der Interaktion mit der Umwelt; es zeigt die Fähigkeit zu komplexen Überlegungen. Doch ohne eine menschliche Komponente wird die mathematische Reinheit dieser Geste lediglich selbstreferenziell und tautologisch und offenbart nichts von ihrem möglichen Inhalt.

In ihren jüngeren Arbeiten konzentriert sich Sabahi auf Becken als eine Metapher für das, was Kunstwerke oder künstlerische Prozesse unter ihren transparenten oder opaken Oberflächen enthalten können. Die Filme Mouthful (2018) und Borrowed Scenery (2017) sind aus einem Projekt hervorgegangen, das schließlich dazu führte, dass der japanische Künstler Noriyuki Haraguchi nach Teheran zurückkehrte, um die Restaurierung seiner Skulptur Matter and Mind (1977) zu beaufsichtigen, ein mit gebrauchtem Motoröl gefülltes Stahlbecken, das seit 1977 dauerhaft im Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst ausgestellt war. Im Lauf von vier Jahrzehnten war das Ölbecken zum Gegenstand eines alltäglichen Rituals geworden: Er wurde zum Wunschbrunnen, der die Besucherinnen und Besucher des Museums dazu verleitete, Münzen und andere Objekte hineinzuwerfen. Der Film Mouthful ist gewissermaßen ebenso Mittel wie Zweck des Restaurierungsprojekts.

Die Geschichte von Matter and Mind zeigt mit aller Deutlichkeit die unbeabsichtigten Folgen, die die Umsetzung eines ästhetischen Programms nach sich ziehen kann – man beginnt mit einer bestimmten Absicht und erzielt ein vollkommen anderes Ergebnis. Wenn man in der Arbeit Pocket Folklore (2018) die verschiedenen Objekte betrachtet, die aus dem Becken hervorgeholt wurden, kann man nur vermuten, welche Gefühle die Museumsbesucherinnen und -besuchern zu diesem Verhalten hingerissen haben. War es ein Akt des Trotzes, der Ablehnung, des Protests, des Widerstands, oder war es einfach kindisch? Eine Geschichte in Borrowed Scenery ist besonders vielsagend, was die hypnotische Wirkung des Beckens angeht: Als der ehemalige Schah es in der Eröffnungsausstellung des Museums sah, war er so verwirrt, dass er in das Becken hineinfasste und seine Hand mit dem schmutzigen Öl befleckte. Tatsächlich erkannte er nicht das Material, für das er die ganze Zeit alle Prinzipien über Bord geworfen hatte.

Sabahi erforscht nicht nur die Möglichkeiten und Grenzen der Kunstproduktion als solcher; sie strebt auch danach, die Eigenschaften von stoischen Objekten wie Matter and Mind aufzudecken oder zu definieren, die im Kanon der westlichen Kunst üblicherweise als Minimal Art bezeichnet werden. Der Minimalismus entstand in den 1960er Jahren als Reaktion gegen den damals vorherrschenden Abstrakten Expressionismus. Er führte rasch zur Entwicklung von künstlerischen Praktiken, die von einer programmatischen Denkweise und einer Serialität geprägt waren, die ihren eigenen logischen Endpunkt enthielt. Außerhalb von New York bildete sich jedoch eine teilweise verwandte Ästhetik heraus, die zum Sinnbild für die internationale Protestbewegung von 1968 wurde, wie etwa in Europa die Arte Povera und in Japan die Mono-ha („Schule der Dinge“), der Haraguchi angehörte.

Man erkennt in diesen Entwicklungen ein Muster, bei dem bestimmte Stile oder Methoden überwiegen, deren Inhalt und Bedeutungen sich jedoch grundlegend verändern. Sabahis Ausstellungstitel Borrowed Scenery verweist auf das Prinzip des shakkei (geborgte Szenerie), das im ostasiatischen Gartenbau verwendet wird. Dort wird die im Hintergrund liegende Landschaft in die Komposition eines Gartens einbezogen. Die verschiedenen Verfahren dieses Prinzips beruhen immer auf einer Art „ordnenden Hand“, die ein äußeres, autonomes Element in einen gegebenen Kontext integriert. Wie im Fall der botanischen Gärten und Haraguchis Werk rahmt Sabahi diese in ihrem eigenen Garten: der Ausstellung. Ihr Prinzip, einen „Ort zu borgen“ – oder, wie sie sagt, den Ort zu nutzen wie „einen Knopf , für den man einen Mantel macht“ –, zeigt sich auch in ihrem Ausstellungsdesign, das – ganz buchstäblich – alles unablässig reflektiert.

Die beiden Filme We Came Here to Swim (2012) und We Fell into the Water Staying Dry (2013) geben einen Einblick in Sabahis erste Arbeit mit einem Wasserbecken als Metapher für ästhetischen Determinismus und die Interpretation von Kunstwerken. Wenn man die beiden widersprüchlichen Berichte von den Dreharbeiten eines Films und die noch verwirrenderen Bilder betrachtet, die diese Berichte illustrieren, wird klar, dass deutliche Proteste und das Erheben der eigenen Stimme nicht zwangsläufig dazu führen, dass man auch gehört wird. Sabahis Filme legen vielmehr implizit nahe, dass auch Momente des Schweigens und der Reflexion kommunikative Eigenschaften haben, die lohnenswert sein können.

Mikael Brkic


Shirin Sabahi lebt in Berlin. 2017 war sie Stipendiatin der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst am Edith-Russ-Haus, Oldenburg.

Ausstellungsdesign: Jan Parth

Kuratiert von Edit Molnár & Marcel Schwierin.
 

Zugehörige Publikationen

Gefördert durch

Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Stiftung Niedersachsen
Fondacion Botin